Montag, 11. April 2016

Zur Zukunft des Fernsehens in der digitalen Revolution des Web 4.0

Cari fratelli e sorelle dell´umanita,

der These, dass die Zuschauerzahlen bei vielen Fernsehsendungen sinken, stimme ich insofern zu, als dass dies für den analogen Bereich des reinen Zuschauens vorm Fernseher gilt, wie die Quoten der letzten Monate zeigen.
Das liegt meines Erachtens aber weniger daran, dass das Interesse an den Fernsehsendungen insgesamt sinkt (was an sich natürlich auch der Fall sein kann!), sondern im Gegenteil viel mehr zum einen an der immer stärker und durchgreifenderer werdenden Individualität des Zuschauers und zweitens daran, dass dafür im digitalen Bereich der multimedialen und mobilen Endgeräte wie Tablets, Smartphones oder ähnliches die Zahl der Zugriffe auf die in den Mediatheken abrufbaren Sendungen explosionsartig gestiegen ist, während der reine Fernseher zunehmend ins Abseits gerät.

Diese Zuschauer, die sich ihre Lieblingsfernsehsendungen ganz individuell und nach ihrem eigenen Zeitplan anschauen können, werden aber in den klassisch ermittelten Einschaltquotenzahlen GAR NICHT erfasst, so dass man subjektiv gesehen tatsächlich den Eindruck hat, dass die Quoten insgesamt sinken würden. Das Gegenteil ist der Fall und sollte auch zu einer Reform der Einschaltquotenermittlung führen: Wenn man nicht mehr NUR die Fernseher, sondern ALLE multimedialen und mobilen Endgeräte erfassen würde, wären die Quoten bzw. Zugriffszahlen im digitalen Bereich sehr viel höher als die tatsächlich ermittelte Zuschauerzahl im analogen Bereich.

Dabei lässt sich bis zum Jahr 2025 hin ein klarer Trend VOM Sender hin ZUM Zuschauer ableiten - der durch die zunehmende Individualisierung des Menschen einerseits und die kommende digitale Revolution andererseits verstärkt wird. Die Fernsehsender, und damit natürlich auch die ARD, haben dies längst erkannt und bauen ihre Sendeangebote in ihrer Langzeitstrategie bis 2020 so dahingehend um, dass dem veränderten Bedürfnis des Zuschauers Rechnung getragen wird:

In Zeiten flexibler Arbeitszeiten und unsicher bzw. flexibel gewordener Beschäftigungsverhältnisse möchte sich der Zuschauer NICHT MEHR nach einem vom Sender starr festgelegten Programmrhythmus richten, sondern SELBST aussuchen, WANN er WELCHE Sendung WO und in WELCHER Funktion auch immer ansehen möchte.

Früher war es immer so: Wenn also zum Beispiel "In aller Freundschaft" dienstags um 21.05 Uhr lief und der Zuschauer zu dem Zeitpunkt gerade z.B. Besuch hatte, arbeiten musste oder auswärts Veranstaltungen welcher Art auch immer besuchte, musste er entweder die Sendung ausfallen lassen, über Video oder DVD aufnehmen oder aber die Wiederholungen sehen. Da aber viele Menschen weder über das nötige technische Equipment (= technische Ausstattung) für eine Aufnahme der Sendung noch über die nötige Zeit für das Ansehen der Wiederholung verfügten, blieb vielen oftmals letzten Endes nur die Möglichkeit, entweder (in der Regel) die Fernsehsendung oder aber (seltener) die anderen Veranstaltungen ausfallen zu lassen - da war der Zuschauer zumeist auf die Programmvorgaben des jeweiligen Fernsehsenders angewiesen, was sich als starr und unflexibel erwies.

Heutzutage kann der mündige Zuschauer diesbezüglich flexibler agieren, ohne dabei Abstriche zu machen: Er kann, wenn z.B. "In aller Freundschaft" dienstagabends um 21.05 Uhr läuft und hinterher als Videodatei in der jeweiligen Mediathek hochgeladen wird, Besuch empfangen und sich die Sendung zu einem späteren, ihm genehmeren Zeitpunkt ansehen, ohne dass er dabei auf etwas verzichten muss. Auch kann man mit multimedialen und mobilen Endgeräten mit sogenannten "Livestreams" inzwischen in Echtzeit überall fernsehen, ohne dass man notwendigerweise auf den im Wohnzimmer stehenden Fernseher angewiesen ist! ;)

In der Medienbranche hat man sich schon längst darauf eingestellt und ändert schon seit geraumer Zeit die langfristige Strategie und baut u.a. Portale wie "Netflix" weiter aus. Das bedeutet aber auch, dass es bis 2035 keine Fernsehprogrammzeitschriften wie z.B. die HÖRZU oder FUNK UHR mehr geben wird, da sich zum einen bis dahin das Zuschauerverhalten zu 100 Prozent individualisiert haben wird und zum anderen die Sender bis dahin vermutlich keine festen Tagesprogrammstrukturen mehr anbieten werden, sondern vielmehr alle relevanten Inhalte wie Nachrichten, Unterhaltung, Sport, Wetter, Börsenkurse, Filme, Dokumentationen etc. JEDERZEIT in Mediatheken oder was auch immer danach kommen wird, bereitgestellt werden - der Zuschauer kann sich dann sein eigenes Fernsehprogramm selber nach eigenem Geschmack aussuchen und zusammenstellen.

Das ist - ganz nüchtern betrachtet - nicht nur das endgültige Ende einer ganzen Epoche (und hat z.B. der Springer-Verlag wohl schon erkannt, als man kürzlich u.a. die HÖRZU verkaufte), sondern verändert natürlich auch die klassische Ermittlung der Einschaltquoten, die generell im analogen Bereich bis 2020 immer weiter sinken werden, bis der analoge Bereich schließlich ganz aufgegeben wird und man nur noch digital fernsehen kann. Insofern sind die vordergründig sinkenden Einschaltquoten allerorten, ob bei IaF, "Wetten, dass...?" oder anderswo, nicht wirklich überraschend und haben oftmals weniger mit dem Inhalt der betreffenden Sendungen (was dennoch auch der Fall sein kann!), sondern vielmehr schlicht mit einem veränderten Konsumverhalten der Zuschauer zu tun.

Das veränderte Konsumverhalten der Zuschauer lässt sich mittlerweile sogar schon bei Kindersendungen feststellen:

In meiner Kindheit in den 1980er und 1990er Jahren liefen Sendungen wie die "Sesamstraße", "Die Sendung mit der Maus", "Hallo Spencer", "Meister Eder und sein Pumuckl", "Familie Feuerstein" oder "Die Biene Maja" in der Regel 25 bis 30 Minuten, weil dies in der Regel der Aufmerksamkeitsspanne von Kindern entsprach. Psychologen haben aber in den letzten Jahren festgestellt, dass die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern u.a. auch durch das Auftreten der Computertechnologie inzwischen um einiges geringer geworden ist, als dies in meiner Kindheit der Fall war.

Dies hat sich natürlich auch bei den fürs Fernsehprogramm Verantwortlichen herumgesprochen und so hat man Kindersendungen wie "Die Biene Maja" oder "Spongebob Schwammkopf" dahingehend revolutioniert, dass die in sich abgeschlossenen Geschichten, die noch in den 1980er Jahren 25 bis 30 Minuten andauerten, mittlerweile zu kürzeren, in sich abgeschlossenen Episoden zwischen 12 und 15 Minuten zusammengefasst wurden. Die gesamte Sendezeit blieb mit 25 bis 30 Minuten jedoch nach wie vor gleich.

Doch auch auf traditionsreiche Kindersendungen wie die seit 1969 (bzw. seit 1973 in Deutschland mit mehr als 2700 Folgen) ununterbrochen laufende "Sesamstraße" hat das veränderte Verhalten der kleinen Fernsehzuschauer erhebliche Auswirkungen: Lief eine ganze Folge der "Sesamstraße" in meiner Kindheit im Fernsehprogramm des NDR noch von Sonnabend bis Mittwoch jeden Tag um 18.00 Uhr eine halbe Stunde lang, so wird die "Sesamstraße" mittlerweile nur noch morgens zwischen 06.00 und 08.00 Uhr in einer Folgenlänge von nur noch 20 Minuten ausgestrahlt bzw. in exakt dieser Sendelänge in die Mediathek gestellt.

Selbst in den USA, wo das amerikanische Original der "Sesamstraße" noch immer jeden Morgen eine Stunde lang ausgestrahlt wird, hat man mittlerweile vor dem veränderten Konsumverhalten der Kinder kapituliert, so dass sich der zuständige Sender PBS im Sommer 2014 nach mehr als 45 Jahren und über 4500 jeweils einstündigen Folgen der "Sesame Street" dazu entschlossen hatte, von September 2014 an zusätzlich zu den einstündigen Folgen der "Sesame Street" am Morgen nachmittags eine kürzere, 30-minütige Ausgabe der gleichen Folge vom Morgen unter Auslassung wichtiger Sequenzen auszustrahlen. Inzwischen werden für den privaten Bezahlsender HBO, bei dem die amerikanische "Sesame Street" mit Beginn der aktuellen Staffel seit September 2015 exklusiv ausgestrahlt wird, nur noch Episoden von 30 Minuten produziert, die dann 9 Monate nach der Erstausstrahlung wie gewohnt im Fernsehprogramm des öffentlich-rechtlichen Senders PBS gezeigt werden. Damit wird einer sich immer schneller verändernden (Medien-)Welt Rechnung getragen, die bereits Ende der 2000er Jahre einen ersten Höhepunkt in der von Seiten der Produzenten veranlassten Verordnung einer vitaminreichen Diät für das Krümelmonster, das bis dato nur Kekse (und oftmals sogar die jeweilige häusliche Einrichtung) gegessen hatte, erreicht hatte.

So gesehen befinden wir uns nun auf dem Weg in die digitale Revolution mit dem Web 4.0, das die gesamte Gesellschaft vermutlich sehr viel stärker verändern wird als die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert und ich bin mir ziemlich sicher, dass weder die Politik noch die gesamte Gesellschaft hinreichend auf dieses epochale Ereignis vorbereitet sind!

And that´s the way it is. It´s Monday, April 11th, 2016.

Euer Bentossimo

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